August 2012

120804

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Der Regensburger Staatsrechtler Gerrit Manssen (links) hält die EEG-Umlage wegen des seit 2010 grundlegend veränderten "Ausgleichsmechanismus" für verfassungswidrig. Auf sein Gutachten stützen Andreas Munding und Dieter Dörrmann (Spinnweberei Uhingen), Bernd Drechsel (Textilveredlung Drechsel) sowie Gregor Götz (Vowalon) ihre Forderung nach Rückzahlung der EEG-Umlage. Unterstützt werden sie dabei vom Gesamtverband der Textil- und Modeindustrie, der bei der Pressekonferenz in Berlin durch Hauptgeschäftsführer Wolf-Rüdiger Baumann vertreten wurde (v.l.n.r).

Foto: t+m.

Textilunternehmen wollen EEG-Umlage vors Bundesverfassungsgericht bringen

Drei mittelständische Textilunternehmen haben ihre jeweiligen Stromversorger auf Rückzahlung der mit der Stromrechnung erhobenen EEG-Umlage verklagt. Sie stützen sich dabei auf ein Gutachten, das der Regenburger Verfassungsrechtler Gerrit Manssen im Auftrag des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie erstellt hat. Demnach wäre die EEG-Umlage in der seit 2009 praktizierten Form ebenso unzulässig wie der "Kohlepfennig", den das Bundesverfassungsgericht 1994 untersagt hat. Die Klagen zielen darauf ab, den Rechtsweg durch alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht auszuschöpfen. Sie wurden seit längerem vorbereitet (siehe Hintergrund) und nunmehr am 14. August auf einer Pressekonferenz in Berlin offiziell vorgestellt.

Kläger erfüllen nur eines von zwei Kriterien für die Reduzierung der EEG-Umlage auf zehn Prozent

Bei den drei Klägern handelt es sich um die oberfränkische Textilveredelung Drechsel (Lohmühle), die ostdeutsche Vowalon Beschichtungs GmbH (Treuen) und die südwestdeutsche Spinnweberei Uhingen (Uhingen bzw. Waldkirch). Bei allen drei Unternehmen liegt der Strombedarf deutlich über der Schwelle von 1 GWh, ab der gemäß § 41 Abs. 3 EEG die EEG-Umlage auf zehn Prozent des Normalsatzes sinkt. Die beiden erstgenannten sowie einer der zwei Betriebsteile der Spinnweberei Uhingen erfüllen aber das zusätzliche Kriterium nicht, daß die Stromkosten mindestens 14 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachen müssen.

NIcht unter den Klägern befinden sich die Schmitz-Werke in Emsdetten, die unter Berufung auf das verfassungsrechtlic he Gutachten zunächst ebenfalls die Zahlung der EEG-Umlage verweigert hatten. Sie erfüllen zumindest in diesem Jahr beide Kriterien für die Reduzierung der EEG-Umlage auf zehn Prozent. In der Praxis bedeutet dies, daß sie monatlich mit lediglich 4.000 statt 40.000 Euro belastet werden.

Die Kläger haben außerdem ihre ursprünglich geplante Vorgehensweise geändert: Anstatt die Zahlung der EEG-Umlage zu verweigern und darauf zu warten, daß sie von den Stromversorgern verklagt werden, haben sie die EEG-Umlage nachentrichtet und die Stromversorger auf Rückzahlung verklagt. Damit soll das Verfahren beschleunigt werden. Ein erster Verhandlungstermin wurde bereits angesetzt.

Himmelweite Unterschiede bei der Belastung der Letztverbraucher: Der eine zahlt 3,6 Cent/kWh, der andere nur 0,05 Cent/kWh

Auf Drängen der Industrie hat der Gesetzgeber seit 2003 immer mehr "privilegierte Letzverbraucher" von der Zahlung der EEG-Umlage größtenteils befreit. Die ohnehin stark angestiegenen EEG-Kosten belasten dadurch um so mehr die "nicht privilegierten Letzverbraucher". Neben Haushalten und Kleingewerbe gehören dazu auch zahlreiche mittelständische Unternehmen wie die jetzt klagenden Textilfirmen, die mehr oder weniger knapp unter den willkürlich gezogenen Grenzen für die Privilegierung liegen.

Momentan erfolgt die Minimierung der EEG-Umlage gemäß § 41 Abs. 3 EEG in mehreren Stufen: Ab einem Verbrauch von 1 GWh sinkt sie auf 10 Prozent des Normalsatzes, ab 10 GWh auf 1 Prozent und ab 100 GWh auf 0,05 Cent/kWh. Die Stromkosten müssen aber mindestens 14 Prozent der Bruttowertschöpfung erreichen. Besonders stromintensive Betriebe können außerdem den fixen Satz von 0,05 Cent/kWh auch für den Verbrauch unter 100 GWh beanspruchen, wenn die Stromkosten mehr als zwanzig Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachen. Die für 2012 erhobene EEG-Umlage von 3,592 Cent/kWh belastet die Unternehmen also nur mit 0,36 Cent/kWh (ab 1 GWh), 0,036 Cent/kWh (ab 10 GWh) und 0,05 Cent/kWh (ab 100 GWh).

Bis die Klagen der drei Textilunternehmen tatsächlich vor dem Bundesverfassungsgericht landen und entschieden wird, dürften etliche Jahre vergehen. Sie könnten deshalb kurzfristig auch den Zweck verfolgen, Druck auf den Gesetzgeber auszuüben, damit dieser den Kreis der "privilegierten Letzverbraucher" nochmals erweitert. Allerdings würde dadurch die Belastung der verbleibenden Kleinverbraucher ein weiteres Mal in unzumutbarer Weise erhöht. Außerdem wäre zu erwarten, daß dann weitere kleinere Produzenten bis hin zum Handwerk eine starke Reduzierung verlangen. Schon jetzt wird für das kommende Jahr mit einem Anstieg der EEG-Umlage auf 5 Cent/kWh gerechnet (120701).

Unabhängig von verbandstaktischen Überlegungen haben die Textilunternehmen gute Argumente, wenn sie die Verfassungsmäßigkeit der EEG-Umlage in deren heutiger Form bezweifeln. Neben den himmelweiten Unterschieden bei der Belastung der Letztverbraucher dürfte vor allem der seit 2010 geltende neue "Ausgleichsmechanismus" einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten (siehe Hintergrund).

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