Dezember 2011

111215

ENERGIE-CHRONIK


Deutsche Bank ermöglichte Betrug mit Emissions-Zertifikaten

Wegen Steuerbetrugs mit Emissionsrechten verurteilte das Landgericht Frankfurt am 21. Dezember sechs Angeklagte zu Haftstrafen zwischen drei Jahren und sieben Jahren, zehn Monaten. In seinem Plädoyer gab der Oberstaatsanwalt der Deutschen Bank erhebliche Mitschuld, weil ohne ihre Mitwirkung die Betrügereien nicht hätten stattfinden können. "Mitarbeiter der Deutschen Bank waren zumindest schuldhaft verstrickt", sagte er. Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung ebenfalls fest, daß am Ende der Betrugskette die Deutsche Bank als kapitalstarker Abnehmer gestanden habe. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin gegen sieben Mitarbeiter des Geldinstituts, hat aber bisher keine Anklage erhoben. Ein Sprecher der Deutschen Bank erklärte, daß die "interne Untersuchung einer unabhängigen Rechtsanwaltskanzlei" bisher keine Hinweise auf eine Verstrickung von Bankmitarbeitern in das kriminelle Geschehen ergeben habe.

In der Tat läßt sich den sieben Bankern anscheinend nur vorwerfen, daß sie die Emissionszertifikate den Betrügern abkauften, ohne wegen des Preises Verdacht zu schöpfen. Die Betrüger hatten nämlich die Vorsteuer, die angeblich im Preis enthalten war, selber kassiert und konnten deshalb die Zertifikate günstig anbieten. Infolge der Aufdeckung des Betrugskartells wurde das zunächst verlockende Geschäft für die Deutsche Bank zum Reinfall. Sie muß nun die von ihr beanspruchte und erhaltene Vorsteuer an den Fiskus zurückzahlen. Sie hat aus diesem Grund bereits 300 Millionen Euro aus Umsatzsteuerforderungen abgeschrieben. Möglicherweise kommt es bei einer Rückzahlung zur Einstellung der Ermittlungen. Die Bank wird sich dennoch vorhalten lassen müssen, aus Geldgier auf Angebote eingegangen zu sein, die eigentlich nur einen kriminellen Hintergrund haben konnten.

Betrüger war über Entgegenkommen der Bank selber überrascht

Hauptangeklagter war zunächst ein 27-jähriger Brite, der dann aber mit der Anklage kooperierte und sich bereits am ersten Verhandlungstag für schuldig bekannte. Der Prozeß, der am 15. August begonnen hatte, konnte deshalb bereits nach vier Monaten beendet werden. Der Bank- und Marketingfachmann aus dem englischen Leeds sagte aus, zu seiner eigenen Überraschung habe er die Deutsche Bank als Abnehmer der Zertifikate gewonnen. Wegen der günstigen Preise hätte klar sein müssen, daß Steuerhinterziehung im Spiel war. Die Bank habe jedoch erst nachgefragt, als der Betrug mit der Vorsteuer-Erstattung nicht mehr möglich war, weil die Steuerschuld vom Verkäufer auf den Käufer verschoben wurde.

Wie es in der Urteilsverkündung hieß, hat sich das Gericht "nur mit einem Ausschnitt aus einem Gesamtkomplex befaßt, bei dem allein schon 300 Millionen Euro Schaden für den Staat entstanden sind". Die noch laufenden Ermittlungen beträfen ein Vielfaches dieser Summe. Die EU-Polizeibehörde Europol bezifferte bei der Aufdeckung des "Umsatzsteuer-Karussells" Ende 2009 den Gesamtschaden mit fünf Milliarden Euro (091204). Betroffen waren vor allem Frankreich, die Niederlande, Großbritannien, Dänemark und Spanien. Abgewickelt wurden die Geschäfte jedoch zum größten Teil über die Deutsche Bank in Frankfurt und deren Londoner Niederlassung.

Auch später blieb das System anfällig für kriminelle Machenschaften

Nachdem die Behörden das Umsatzsteuer-Prozedere geändert hatten, um derartige Betrügereien zu verhindern, ging das Handelsvolumen am Markt für Emissionszertifikate schlagartig um neunzig Prozent zurück. Das System blieb jedoch anfällig für kriminelle Machenschaften: Kurz darauf gelang es Betrügern, in die nationalen Emissionshandelssystem einzudringen, indem sie sich mit gefälschten E-Mails und Web-Seiten bei verschiedenen Unternehmen die dafür notwendigen Zugangsdaten erschlichen. Sie erbeuteten dabei mindestens drei Millionen Euro (100205). Anfang 2010 drangen bislang unbekannte Kriminelle in die elektronischen Registrierungssysteme ein und erbeuteten Zertifikate im Wert von rund 28 Millionen Euro (110105). Die nationalen Emissionshandels-Register mußten deshalb bis zu drei Monate lang gesperrt werden (110412).

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