Juni 2011

110610

ENERGIE-CHRONIK


Stuttgart will sich wieder Stadtwerke zulegen

Elf Jahre nach dem Verkauf der eigenen Strom- und Gasversorgung gründet Stuttgart wieder Stadtwerke. Am 26. Mai beschloß der Gemeinderat der baden-württembergische Landeshauptstadt mit großer Mehrheit die Einleitung der dafür erforderlichen Schritte. Die Stadtverwaltung soll noch vor der Sommerpause den Entwurf eines Gesellschaftervertrags für die neuen Stadtwerke vorlegen, die dann der bestehenden Holding Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft SVV als Tochter eingefügt werden. Bisher ist die SVV nur für den öffentlichen Nahverkehr, den Hafen und ein Telekommunikationsunternehmen zuständig.

Die Konzessionsverträge für Strom, Gas, Wasser und Fernwärme laufen Ende 2013 aus. Die neuen Stadtwerke werden deshalb ab 1. Januar 2014 am Markt tätig werden. Nach dem jetzigen Beschluß gehören zu ihren Geschäftsfeldern "die Netze der allgemeinen Versorgung für Strom und Gas, der Vertrieb von Strom und Gas, die Ökoenergieerzeugung und weitere Energiedienstleistungen".

Bei den Strom- und Gasnetzen wird die Stadt voraussichtlich aber nur Eigentümer bzw. Miteigentümer werden, während sie das operative Geschäft einem Netzbetreiber überläßt. Beim Energievertrieb ist in ähnlicher Weise an Kooperationen gedacht. In beiden Fällen könnte deshalb wie bisher die Energie Baden-Württemberg (EnBW) der auserwählte Partner sein, der das operative Geschäft besorgt. Als sicher gilt dies bei der Wasserversorgung, deren Übernahme der Gemeinderat schon im vergangenen Juni beschloß.

Die Übernahme der Fernwärmeversorgung war ebenfalls erwogen worden. Die Stadt hat diese Pläne dann aber nicht weiter verfolgt, weil sie dazu der EnBW die Heizkraftwerke in Stuttgart-Münster, Gaisburg und Altbach-Deizisau zu einem hohen dreistelligen Millionenbetrag abkaufen müßte.

Die TWS waren einst einer der größten kommunalen Versorger

Bis 1997 waren die Stuttgarter Stadtwerke die größten des Landes Baden-Württemberg und auch bundesweit einer der bedeutendsten Versorger. Als "Technische Werke der Stadt Stuttgart" (TWS) entstanden sie 1933 aus dem Zusammenschluß der kommunalen Strom-, Gas- und Wasserversorgung. 1997 fusionierten die TWS mit dem benachbarten Regionalversorger Neckarwerke (Esslingen) zu den Neckarwerken Stuttgart (NWS) (970706). In den folgenden Jahren wurden die NWS gegen den Widerstand von Mitarbeitern und Management sukzessive an die Energie Baden-Württemberg (EnBW) verkauft und dieser einverleibt. 2003 gingen sie völlig in der EnBW auf (030807).

Als sich 1999 abzeichnete, daß Landes- und Kommunalpolitiker der CDU die Eingliederung der NWS in die EnBW betrieben, demonstrierten Mitarbeiter der NWS, der EnBW und anderer Energieversorger gemeinsam gegen den befürchteten Stellenabbau (991005). Anläßlich der jetzigen Beschlußfassung des Gemeinderats mobilisierte die Gewerkschaft Verdi wiederum rund 2000 EnBW-Beschäftigte, die nun aber auf dem Stuttgarter Marktplatz gegen die Gründung neuer Stadtwerke demonstrierten, weil sie den Verlust ihrer Arbeitsplätze oder andere Nachteile befürchten. Die Gewerkschafter beklatschten sogar lebhaft den FDP-Fraktionsvorsitzenden Bernd Klingler, dessen Partei zusammen mit den Freien Wählern gegen die Beschlußvorlage gestimmt hatte.

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