Januar 2011

110109

ENERGIE-CHRONIK



Insgesamt 500 Millionen Euro zur Förderung der Elektromobilität stellte die Bundesregierung Anfang 2009 mit dem Konjunkturpaket II zur Verfügung (090310). Größer Nutznießer war der Daimler-Konzern, dem zusätzlich der Bushersteller Evobus und gemeinsam mit Evonik die Firmen Li-Tec-Battery und Deutsche Accumotive gehören.
Auch Energiekonzerne kassierten: Die EWE erhielt 6,0, die EnBW 5,4 und RWE 4,6 Millionen Euro.

Die hier genannten Zahlen entstammen der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Klaus Hagemann im November 2010. Inzwischen haben die in der "Nationalen Plattform Elektromobilität" vereinigten Unternehmen und Forschungseinrichtungen noch erheblich größeren Finanzbedarf angemeldet, der allein bis 2013 vier Milliarden Euro beträgt.

Rekordfahrt eines Elektroautos weckt Zweifel und läßt Industrie um Subventionen bangen

An der Rekordfahrt eines Elektroautos, das in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 2010 die 600 Kilometer lange Strecke von München nach Berlin ohne Aufladen bewältigte, sind nachträglich Zweifel aufgetaucht. Im wesentlichen gründen sie sich auf die Verwendung einer Lithium-Metall-Polymer-Batterie, die wegen mangelnder Haltbarkeit der Zellen und Sicherheitsrisiken von fast allen Automobilherstellern nicht als Stromlieferant in Betracht gezogen wird. Hinzu kommt, daß die Herstellerfirma DBM Energy diese Probleme gemeistert haben will, aber keine detaillierten Auskünfte dazu gibt, weil es sich um Betriebsgeheimnisse handele.

Falls es der kleinen mittelständischen Firma tatsächlich gelungen sein sollte, dem Elektroauto zu Reichweiten bis 600 Kilometer zu verhelfen, wäre dies ein entscheidender Fortschritt. Zugleich würde damit die Forderung der deutschen Industrie nach Milliarden an Subventionen zur Förderung der Elektromobilität noch fragwürdiger, als sie es ohnehin schon ist. Die neu gegründete "Nationale Plattform Elektromobilität" (100505) hat im November 2010 einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem sie den Förderungsbedarf allein bis zum Jahr 2013 auf rund vier Milliarden Euro veranschlagt. Die schon jetzt mit Subventionen von 500 Millionen Euro verwöhnte Industrie- und Forschungslobby (siehe Grafik) erwartet offenbar, daß der Staat zumindest die Hälfte dieser Summe übernimmt. Der Großteil des Geldes soll dabei in technisch unproblematische Bereiche wie Antriebstechnologie und Ladeinfrastruktur fließen, obwohl das einzige wirkliche Hindernis für die Einführung des Elektroautos die unzureichenden Batterieleistungen sind (siehe Hintergrund).

Unterstützung durch Wirtschaftsministerium und "lekker Energie"


Das Rekordfahrzeug bei der Ankunft vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Inzwischen wurde es unter mysteriösen Umständen bei einem Brand zerstört.
Pressefoto Enervie

Die Nachricht von einer hocheffizienten Batterie für Elektroautos, die ein Mittelständler auf eigene Kosten entwickelt hat, gleicht unter diesen Umständen einem Stich ins Wespennest. Zur Heftigkeit des Streits trägt auch bei, daß das Bundeswirtschaftsministerium die Konstruktion des Testfahrzeugs mit 275.000 Euro unterstützt hat. Die Industrie hegt den Argwohn, daß dies bewußt geschehen sei, um ihre Subventionierungswünsche abzublocken.

Der mit Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums umgebaute Audi A2 verfügte über vier vollwertige Sitzplätze und Kofferraum. Während Daimler und BMW bisher auf Lithium-Ionen-Akkus setzen, verwendet DBM Energy eine Lithium-Metall-Polymer-Batterie als Stromquelle. Den Hochleistungs-Akku und das Batteriemanagement hat die Berliner Firma mit Unterstützung des Technologiekonzerns 3 M auf eigene Kosten entwickelt. Die Batterie wird bereits erfolgreich in anderen Bereichen eingesetzt. Zu den vom Bundeswirtschaftsministerium überprüften Referenzen gehörten beispielsweise Gabelstapler.

Die Testfahrt wurde ferner vom Regionalversorger Enervie und dessen bundesweiter Vertriebstochter "lekker Energie" unterstützt. Bei Enervie handelt es sich um die frühere Sewag, die zuvor Mark-E bzw. Elektromark hieß. Fast gleichzeitig mit der Umbenennung in Enervie hat die Sewag Anfang 2010 die Nuon Deutschland GmbH mit der Vertriebsmarke "lekker Strom" übernommen (100111). Das Testfahrzeug rollte deshalb in den Farben dieses bundesweiten Stromvertriebs als "lekker Mobil" durch die Lande.

ADAC vermißt Beweise für Haltbarkeit und Sicherheit der Batterie

Bei seiner Ankunft in Berlin war das Testauto öffentlichkeitswirksam von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) empfangen worden. "Unsere Förderung dieser Pionierleistung hat sich voll ausgezahlt", sagte Brüderle. Nun komme es darauf an, diese hocheffiziente Batterie-Technologie in Serienfertigung zu bringen und für den breiten Einsatz in Elektrofahrzeugen nutzbar zu machen.

Erste Zweifel an der "Wunderbatterie" verbreitete im Dezember 2010 die ADAC-Mitgliederzeitschrift "motorwelt": Bisher gebe es keine Beweise dafür, daß die Angaben von DBM Energie zur Haltbarkeit und Sicherheit der Batterie tatsächlich stimmen würden. Außerdem stehe die Beweiskraft der Rekordfahrt in Frage. Es habe keine neutrale technische Abnahme des Fahrzeugs gegeben. Auf die ursprünglich vorgesehene Mitnahme eines Notars sei verzichtet worden, und der Begleitbus mit Journalisten habe das Fahrzeug bis zu einer halben Stunde aus den Augen verloren.

Wurde das Rekordfahrzeug durch Brandstiftung vernichtet?

Zusätzlichen Auftrieb erhielt die Skepsis, als die Lagerhalle mit dem Testfahrzeug am 12. Dezember abbrannte. Nach Angaben von DBM Energy läßt sich eine Verursachung des Feuers durch das Fahrzeug bzw. dessen Batterie ausschließen. Es habe sich auch nur um eine "Behelfsbatterie" gehandelt. Die Originalbatterie stehe weiterhin zur Verfügung. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Feststellung der Brandursache dauern noch an. Eine Brandstiftung wäre somit nicht auszuschließen.

Ende Februar soll ein neuer Test folgen

Gegenüber der "Wirtschaftswoche" (19.1.) versicherte DBM Energy-Gründer Mirko Hannemann, daß bei der Testfahrt nicht getrickst worden sei. Es gebe genug Augenzeugen. Ferner belege ein GPS-Protokol, daß das Auto nur in einem Stau und beim planmäßigen Halt an einer Raststätte gestanden habe. Ohne den Brand hätte man den Test längst auf einem Rollenprüfstand wiederholt. Momentan werde ein neues Fahrzeug konstruiert, um diesen Test Ende Februar durchzuführen. Die Batteriezellen selbst seien beliebig reproduzierbar. Ihre Sicherheit werde seit 17. Januar von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums untersucht. Die Veröffentlichung technischer Details werde jedoch weiterhin unterbleiben, um die Unternehmensinteressen nicht zu gefährden.

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