November 2010

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ENERGIE-CHRONIK


Strombörse betreibt Spotmarkt seit einem Jahr ohne behördliche Aufsicht

Der Stromspothandel für Deutschland erfolgt seit einem Jahr ohne behördliche Aufsicht. Auf diesen Umstand verwiesen zwei Energie- und Rechtsexperten am 19. November in einem ganzseitigen Artikel für die "Frankfurter Allgemeine". Zugleich kritisierten sie, daß es noch immer keine wirksamen Schutzmaßnahmen gegen Insiderhandel und Preismanipulation an der European Energy Exchange (EEX) gibt.

Wie der Energiefachmann Kevin Canty und der Wirtschaftsjurist Volker Lüdemann in dem Artikel feststellen, hat die Leipziger EEX ihr Spotmarktgeschäft gewissermaßen in juristisches "offshore"-Gebiet verlagert, als sie vor einem Jahr gemeinsam mit der französischen Strombörse Powernext die Epex Spot gründete, unter deren Dach seitdem die Spotmarkt-Auktionen für die Marktgebiete Deutschland/Österreich, Schweiz und Frankreich ablaufen (091209). Da die Epex Spot SE ihren Sitz in Paris hat, entfiel die bisherige Zuständigkeit der sächsischen Landesregierung für die Beaufsichtigung des Börsengeschehens. Die mit der Energieaufsicht in Frankreich betraute Commission de Régulation de l'Energie (CRE) ist aber nur für den französischen Energiehandel sowie grenzüberschreitende Transaktionen zuständig. Die Preisbildung für das Marktgebiet Deutschland/Österreich wird also weder von einer deutschen noch von einer französischen Behörde überwacht. Ähnliches dürfte übrigens für das Epex-Spot-Marktgebiet Schweiz gelten, das in dem Artikel aber nicht erwähnt wird.

Insidergeschäfte am Spotmarkt sind bisher nicht strafbar

Die beiden Autoren verweisen ferner auf die besondere Anfälligkeit des Strom-Spotmarktes für Manipulationsversuche, die das Hochtreiben der vom Spotmarkt abhängigen Preise am Terminmarkt und im außerbörslichen Handel bezwecken. Schon eine Überhöhung der Terminmarktpreise für das kommende Jahr um nur ein Prozent bewirke Mehrkosten bzw. Mehrgewinne von einer Viertelmilliarde Euro. Dennoch gebe es bisher keinerlei Verbote oder wirksame Schutzvorkehrungen gegen den Insiderhandel am Spotmarkt. Wenn die EEX glauben machen wolle, sie habe dem Insiderhandel durch ihre Richtlinien für die Handelsteilnehmer ("Code of conduct") vorgebeugt, so sei dies "wenig mehr als Augenwischerei".

Unzureichend seien ferner die gesetzlichen Dokumentationspflichten, da die diesbezüglichen Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes lediglich für Finanzinstitute und Finanzinstrumente gelten. Das für die Börsenaufsicht zuständige Land Sachsen habe deshalb über den Bundesrat eine Ausweitung der Meldepflichten auf Nicht-Banken und Waren wie Strom angeregt. Der Vorstoß des Bundesrats sei jedoch am Widerstand der schwarz-roten Bundesregierung gescheitert, die in ihrer Stellungnahme vom Januar 2007 eine effektivere Bekämpfung von Marktpreismanipulation und Insiderhandel mit der Begründung ablehnte, dies würde einen nationalen Alleingang darstellen.

Der EEX-internen Handelsüberwachung, die der behördlichen Börsenaufsicht zuarbeiten soll, fehlt es nach Feststellung der Autoren an der erforderlichen Unabhängigkeit. So sei der Leiter der Handelsüberwachungsstelle in Personalunion auch Chefjurist der EEX AG. Die vormalige Leiterin amtiere jetzt als Finanzvorstand der EEX AG. Mithin sei die Leitung der Handelsüberwachungsstelle "für Börsenangehörige nur ein Zwischenschritt in deren Karriere".

Als Schritt in die richtige Richtung sehen die Verfasser die Einrichtung einer "Markttransparenzstelle", wie sie die jetzige Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart hat (091003) und gemäß ihrem seit Ende September vorliegenden "Energiekonzept" beim Bundeskartellamt ansiedeln will (100903). Allerdings befinde sich dieses Projekt anscheinend noch immer in einem "frühen Planungsstadium". Da sich gleichzeitig die Bundesnetzagentur auf europäischer Ebene um eine maßgebliche Aufsichtsrolle im Stromhandelsmarkt bemühe, bestehe zudem die Gefahr, daß es zu allerlei Kompromissen komme und die Markttransparenzstelle "als potemkinscher Hochsitz am Rhein endet".

Staatsanwaltschaft fehlt Rechtsgrundlage, um Verdacht auf Preismanipulation nachzugehen

Im März 2009 hatte ein Mitglied des Bunds der Energieverbraucher (BdEV) die Stromkonzerne E.ON und RWE wegen verbotener Preismanipulation angezeigt (090502). Kurz darauf folgte eine ähnliche Strafanzeige der grünen Bundestagsabgeordneten Bärbel Höhn gegen E.ON. Die beiden Anzeigen gegen E.ON wurden inzwischen von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zurückgewiesen. Die Anzeige gegen RWE wurde von der Staatsanwaltschaft Essen nach Leipzig weitergeleitet und ist dort noch anhängig.

Die beiden Ablehnungsbescheide der Staatsanwaltschaft Düsseldorf umfassen jeweils mehr als hundert Seiten und sind im wesentlichen identisch. Zur Begründung heißt es darin, daß die Strafbarkeit von Marktpreismanipulationen nach dem Wertpapierhandelsgesetz nur für Finanzinstrumente gelte. Die strafrechtliche Ahndung von Markmanipulationen sei deshalb auch nur am Terminmarkt möglich. In der jetzigen Fassung könnten das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und die darauf basierende Marktmanipulationskonkretisierungsverordnung (MaKonV) "das allein aufgrund der faktischen Marktmacht bestehende Grundproblem des börslichen Stromhandels an der EEX, nämlich die potentielle Möglichkeit der Ausnutzung dieser bestehenden Marktmacht durch E.ON, nicht erfassen".

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