Oktober 2010

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ENERGIE-CHRONIK


 

Auf Kundenfang mit windigen Methoden: Unaufgefordert erhielten O2-Kunden jetzt diesen "Gutschein", der sie unter dem Vorwand eines Tarifvergleichs auf die Leimspur der ESD-Werbung für "eprimo" locken soll.

"eprimo"-Werber tarnen sich als Tarifvergleicher

Die RWE-Stromvertriebstochter "eprimo" bedient sich weiterhin des Direktmarketing-Unternehmens "Energie Service Deutschland AG" (ESD), um mit dubiosen Methoden neue Kunden zu gewinnen. Zu den Geschäftspraktiken gehört neuerdings, daß Kunden des Mobilfunkanbieters O2 einen "Gutschein" für einen "kostenlosen Tarifvergleich" erhalten. Zusätzlich wird ein einmaliger Bonus versprochen, falls der Wechsel zu einem "Discount-Anbieter" erfolgt.

Wer unter der angegebenen Telefonnummer oder Internet-Adresse seine Postleitzahl zwecks "Tarifvergleich" angibt, erhält indessen lediglich Angebote von "eprimo". Beispielsweise bekommt ein Interessent aus Heidelberg mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWH die Auskunft, er könne "im 1. Jahr 123,37 Euro sparen", wenn er sich von den Stadtwerken Heidelberg als Stromlieferant verabschiede und zum RWE-Angebot "eprimo Familie R2" wechsele. Automatisch verglichen wird allerdings lediglich mit dem jeweiligen Grundversorgungstarif, der am ungünstigsten ist, in diesem Falle mit "Heidelberg Strom Basis". Hinzu wird die Wechselprämie beim Kostenvergleich miteingerechnet, obwohl sie nur einmal und erst nach Ablauf einer mindestens einjährigen Vertragsbindung gewährt wird. Ein Vergleich mit Wahltarifen würde dagegen trotz der einmaligen Wechselprämie zum Nachteil von "eprimo Familie R2" ausfallen.

Mittels eines Aufklapp-Menüs ist es zwar möglich, anstelle des voreingestellten Grundversorgers und dessen ungünstigstem Tarif noch eine Reihe anderer Stromanbieter und Tarife einzustellen. Damit will ESD anscheinend dem Vorwurf einer systematischen Täuschung vorbeugen. Wenn der Vergleich jedoch trotz Anrechnung der einmaligen Wechselprämie zum Nachteil von "eprimo" ausfällt, werden die Kosten des günstigeren Angebots nicht genannt. Stattdessen heißt es lediglich: "Ihre Tarifanalyse hat ergeben, daß wir Ihnen aktuell leider keine Tarif-Ersparnis aufzeigen können." – Indessen möge man bedenken, daß die Stadtwerke ständig ihre Preise erhöhen würden. Das teuerere "eprimo"-Angebot könne deshalb bald das günstigere sein...

Handel mit Daten unter dem Vorwand der Kooperation und Kundenberatung

Das Mobilfunkunternehmen O2 tritt auf den "Gutscheinen" als Kooperationspartner in Erscheinung, obwohl sich seine Mitwirkung offenbar auf die Weitergabe von Kundendaten beschränkt und das Angebot keineswegs exklusiv auf die O2-Kunden zugeschnitten ist, wie der "Gutschein" glauben machen will. Damit soll wohl die Umgehung datenschutzrechtlicher Bestimmungen ermöglicht werden. Die O2-Kunden müssen nämlich üblicherweise mit den Geschäftsbedingungen auch die Nutzung ihrer Daten "zur Kundenberatung, Information über deren Angebote und für Marktforschung" akzeptieren.

Neben eprimo zählt neuerdings auch Vattenfall zu den Geschäftspartnern von ESD. Wer den obskuren "Tarifvergleich" für Berlin oder Hamburg anfordert, wo Vattenfall der Grundversorger ist, bekommt anstelle eines Angebots von "eprimo" lediglich den Bescheid: "Leider konnten wir für Sie keinen Tarifvergleich durchführen."

Besonders skrupellos agieren die eprimo-Werber bei mündlichen Verkaufsgesprächen

ESD ist nach eigenen Angaben seit Anfang 2008 "Premiumpartner von eprimo" und hat der RWE-Vertriebstochter bis April 2009 mehr als 110.000 Neukunden zugeführt. Besonders skrupellos gehen Werber der Firma bei mündlichen Verkaufsgesprächen vor. So beklagten sich die Stadtwerke Hettstedt über eprimo-Werber, die behauptet hatten, daß es die Stadtwerke nicht mehr gebe oder daß diese neuerdings eprimo hießen. Im Mai 2010 erwirkte die MVV Energie beim Landgericht Mannheim eine einstweilige Verfügung gegen eprimo und ESD, mit der unter anderem die Behauptung untersagt wurde, bei eprimo handele es sich um eine Tochter der MVV Energie.

Die meisten Beschwerden gibt es wegen der Praktiken von "Flexstrom"

Spitzenreiter bei den Beschwerden über unseriöse Praktiken von Stromwerbern bleibt nach Auskunft von Verbraucherschützern die seit langem einschlägig bekannte Firma Flexstrom. Die ARD-Sendung "Markt" berichtete am 20. September über mehrere Fälle, in denen arglose Stromkunden der Firma auf den Leim gegangen waren. So fiel für einen Kunden die Stromrechnung plötzlich um 49 Prozent höher aus als erwartet. Bei einem anderen waren es sogar 116 Prozent. Wenn sich die Kunden weigern, die höhere Rechnung zu zahlen, argumentiert Flexstrom mit den trickreich abgefaßten Geschäftsbedingungen, die allerdings nicht in allen Punkten einer richterlichen Überprüfung standhalten dürften. Zum Beispiel wurde Kunden der versprochene Bonus nach einjähriger Vertragsdauer verweigert, weil er laut Geschäftsbedingungen verfällt, wenn innerhalb der ersten zwölf Monate gekündigt wird. Wer also fristgerecht zum Ablauf des ersten Jahres kündigte, bekam den Bonus trotzdem nicht.

Wohlfeile Ratschläge zum Wechsel des Stromanbieters verkennen die tatsächlichen Spielräume für die Preisgestaltung

Zum Teil profitieren die unseriösen Geschäftemacher auch von den Illusionen über die tatsächlichen Spielräume bei der Preisgestaltung für Strom, die Politiker und Medien fortgesetzt erzeugen, indem sie den Wechsel des Stromanbieters als probates Mittel gegen überhöhte Strompreise empfehlen. Dieser wohlfeile Ratschlag verkennt, daß die Stromerzeugung und deren Kosten auch zwölf Jahre nach der sogenannten Liberalisierung des Strommarktes noch immer von vier Konzernen kontrolliert werden. Zaghafte Ansätze zu einer Konkurrenz gegenüber dem etablierten Erzeugungsmonopol wurden eben erst durch die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke wieder zurückgedrängt. Der Spielraum für Preisdifferenzen eröffnet sich deshalb im wesentlichen durch Einsparungen auf der Vertriebsebene und ist entsprechend gering. Umso größer ist der Anreiz, durch allerlei Tricks wie Vorkasse, das Jonglieren mit Boni oder regelrecht betrügerische Praktiken eine besondere Preisgünstigkeit vorzugaukeln.

Der liberalisierte Markt bescherte den Verbrauchern bisher nur steigende Preise und zusätzliche Mühen

In der Praxis ist es außerdem den Verbrauchern gar nicht möglich, sich in der verwirrenden Fülle von Anbietern zurechtzufinden und die angebotenen Tarife kostenecht miteinander zu vergleichen. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Tarifvergleichern, die sich anbieten, dieses Problem zu lösen (080815). Zum großen Teil funktionieren diese Tarifrechner aber nur unzureichend. Manche sind sogar nichts weiter als getarnte Instrumente des Kundenfangs, wie der obskure "Tarifvergleich" der ESD zeigt. Die Liberalisierung des Strommarktes bescherte somit den Verbrauchern zwar ständig steigende Strompreise, aber keine echten Alternativen, um dem Preisanstieg durch Wechsel des Stromanbieters zu entgehen. Selbst die Nutzung der relativ geringfügigen Preisdifferenzen innerhalb einer unübersichtlichen Fülle von Stromanbietern erfordert einen unangemessen hohen Aufwand an Zeit und Mühe. Und wenn es gelungen ist, einen etwas günstigeren Anbieter zu finden, dauert dieser Zustand in der Regel nicht lange, weil nach ein paar Monaten mit Sicherheit die nächste Preiserhöhung kommt und damit die Suche nach einem etwas günsteren Anbieter erneut beginnt...

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