Juni 2008

080610

ENERGIE-CHRONIK


Bundestag lehnt Antrag der Linken auf Sozialtarife ab

Der Bundestag hat am 20. Juni einen Antrag der Linken, die Strom- und Gasversorger durch Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur Einführung von Sozialtarifen zu verpflichten, mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Außer der Linken unterstützten lediglich die beiden fraktionslosen Abgeordneten Henry Nitzsche (früher CDU) und Gerd Winkelmeier (früher Linke) die Forderung. Das Thema bleibt dennoch auf der politischen Tagesordnung. Innerhalb der SPD wird bereits an den Eckpunkten einer entsprechenden Regelung gearbeitet, die beispielsweise eine Verbilligung der ersten 500 Kilowattstunden Stromverbrauch pro Haushaltsangehörigen vorsehen könnte. In eine ähnliche Richtung zielt ein konkreter Vorschlag, den die Verbraucherzentrale NRW im Juni vorlegte (080609). Die CDU kann sich dagegen bisher allenfalls vorstellen, die Entlastung von geringverdienenden Energieverbrauchern aus den zusätzlichen Einnahmen zu finanzieren, die den Energiekonzernen aus einer Verlängerung der Laufzeit ihrer Kernkraftwerke zufließen würden. Die FDP lehnt die Einführung von Sozialtarifen gänzlich ab. Sie will stattdessen die Mehrwertsteuer auf Energie von 19 auf 7 Prozent ermäßigen und mit den Erlösen aus der Versteigerung sämtlicher Emissionszertifikate eine Senkung der Stromsteuer ermöglichen. Ein entsprechender FDP-Antrag wurde in derselben Bundestagssitzung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.

Grundsätzlich dagegen sind nur Union und FDP

Die Linke forderte in ihrem Antrag zusätzlich noch die Wiedereinführung der Strom- und Gaspreisaufsicht durch die Bundesländer, die bessere Berücksichtigung der Kosten für Heizung und Warmwasser im Wohngeldgesetz und eine Abschöpfung der Extraprofite, die den Energiekonzernen durch die kostenlose Vergabe von 90 Prozent der Emissionszertifikate zufließen. Zur Begründung gab Oskar Lafontaine zu bedenken, daß eine Entlastung der Haushalte schon mit der zusätzlichen Mehrwertsteuer möglich wäre, die der Staat infolge des starken Anstiegs der Strom- und Gaspreise einnimmt. Im übrigen sei die Linke nicht der Meinung, daß ihr Vorschlag der Weisheit letzter Schluß sei. Sie werde auch jedem anderen Vorschlag zustimmen, der zu einer Entlastung der Haushalte mit geringem Einkommen führt.

Die Unionsabgeordneten Laurenz Meyer, Michael Fuchs und Franz Obermeier lehnten dagegen eine Verpflichtung der Energieversorger zur Einführung von Sozialtarifen grundsätzlich ab. Soweit der Staat für einen sozialen Ausgleich sorge, müsse dies über Steuern, Abgaben und Sozialtransfers geschehen. Nach Ansicht Meyers läßt sich allenfalls darüber diskutieren, ob bei einer Verlängerung der Laufzeit für Kernkraftwerke "im Gegenzug jeder Haushalt in unserem Land die ersten 500 Kilowattstunden Kernenergiestrom zu verbilligten Grundlastpreis" erhalte.

Die FDP-Sprecherin Gudrun Kopp nutzte die Gelegenheit ebenfalls, um eine Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke zu fordern. Den Antrag der Linken bezeichnete sie als "Volksverdummung". Auch in den SPD-Überlegungen zur Einführung von Sozialtarifen vermochte sie "keinerlei vernünftige Ansätze" zu erkennen. Der einzig richtige Weg sei die Senkung von Steuern und Abgaben.

SPD feilt an eigenem Vorschlag - Grüne noch unentschieden

Rolf Hempelmann präzisierte die in der SPD kursierenden Überlegungen dahingehend, daß sparsamer Energieverbrauch belohnt werden soll. Dies könne durch eine Senkung bzw. völlige Streichung der Grundgebühr oder auch durch die Verbilligung eines Basisbedarfs erfolgen. Seine Partei werde "dazu Vorschläge vorlegen, die der Komplexität des Themas gerecht werden".

Der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber hielt der Linken vor, daß ihr Vorschlag hauptsächlich die Stadtwerke belasten würde, die sie eigentlich zum Träger einer "Rekommunalisierung" der Energieversorgung ausersehen hat. Der FDP warf er vor, zu Zeiten ihrer Beteiligung an der Bundesregierung insgesamt 17-mal die Mineralölsteuer erhöht zu haben. Deshalb gingen heute 80 Prozent der Mineralölsteuer auf Erhöhungen zurück, die mit den Stimmen der FDP beschlossen wurden. "Immer wenn Sie an der Regierung sind, erhöhen Sie die Steuern, und wenn Sie in der Opposition sind, dann versuchen Sie das Etikett 'Steuersenkungspartei' zu bekommen." Auch jetzt würde der Vorschlag der FDP keine wirksame Entlastung bringen, sondern lediglich dazu führen, daß "Milliarden aus den Taschen der Bürger in die Taschen der großen Energiekonzerne fließen". Kelbers Fraktionskollege Manfred Zöllmer war ebenfalls der Ansicht, daß die Energiekonzerne die von der FDP beabsichtigte Steuerersparnis "dankend als Subvention vereinnahmen" würden.

Für die Grünen lehnten Bärbel Höhn und Markus Kurth sowohl die Vorstellungen der FDP als auch die der Linken ab, legten sich aber hinsichtlich der in der SPD kursierenden Vorstellungen nicht fest. Generell glaubten sie, wie auch der SPD-Abgeordnete Michael Müller, den Kern des Problems in der Notwendigkeit zur Energieeinsparung und zum Ausbau der erneuerbaren Energien erkannt zu haben. Hierbei könne und müsse den sozial Schwächeren geholfen werden.

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