Juni 2008

080605

ENERGIE-CHRONIK


CDU will generelle Laufzeit-Verlängerung für KKW zum Wahlkampfthema machen

Bundesvorstand und Präsidium der CDU verabschiedeten am 23. Juni einstimmig den Antrag "Bewahrung der Schöpfung: Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz", in dem die Partei ihre Forderung nach einer Verlängerung der Laufzeit für die deutschen Kernkraftwerke ein weiteres Mal bekräftigt und in der Parteiprogrammatik verankert. "Kernkraft ist für die CDU Öko-Energie", erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla bei der Vorlage des Papiers. Es soll vom CDU-Parteitag Anfang Dezember in Stuttgart förmlich beschlossen werden. Damit dürfte die Frage der Laufzeiten-Verlängerung zu einem wichtigen Thema des Bundestagswahlkampfs 2009 zwischen Unionsparteien und FDP einerseits sowie SPD, Grünen und Linken andererseits werden. Möglicherweise gibt sie sogar den Ausschlag für das Zustandekommen einer Rechts- bzw. Linkskoalition.

In dem CDU-Papier findet sich auch die Forderung von RWE-Chef Großmann nach einem "Energiepakt" (071201) wieder. In Form der von der CDU angestrebten "Energiepartnerschaft von Energiewirtschaft, Industrie, Verbrauchern und Politik" soll er den Verbrauchern günstigere Strompreise bescheren, indem die Wirtschaft ihre Investitionen in Netze, Kraftwerkspark und Forschung erhöht, während der Staat die Planungs- und Genehmigungsverfahren erleichtert.

In der laufenden Legislaturperiode wird es weder Verlängerungen noch Abschaltungen geben

Schon vor den Bundestagswahlen 2005 hatte die CDU auf ihrem 18. Parteitag indirekt für eine Laufzeitverlängerung plädiert, indem sie die Forderung erhob, daß sich die Betriebsdauer von Kernkraftwerken "ausschließlich an der Gewährleistung des größtmöglichen Sicherheitsniveaus jeder Anlage ausrichtet". Der Wahlausgang machte es der Union indessen unmöglich, den geplanten "Ausstieg aus dem Ausstieg" mit Hilfe der FDP zu verwirklichen. In der ersatzweise eingegangenen Großen Koalition mit der SPD war zunächst nicht ganz klar, ob sich die Sozialdemokraten bereitfinden würden, eine nach dem Atomgesetz erforderliche Regierungserlaubnis zur Laufzeiten-Übertragung von jüngeren auf ältere Kernkraftwerke zu erteilen, um die sonst anstehende Abschaltung der vier Kernkraftwerke Biblis A und B, Neckarwestheim und Brunsbüttel zu vermeiden (051001). Auch die ersten ablehnenden Bescheide des Bundesumweltministeriums zu den Anträgen für Biblis A (070303) und Brunsbüttel (070608) ließen noch keine schlüssige Deutung zu, da die Betreiberkonzerne RWE und Vattenfall sich darauf versteift hatten, aus dem Kontingent von Mülheim-Kärlich zu übertragen, was nach dem Atomgesetz gar nicht zulässig wäre (080205). Seitdem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) aber auch den neuen RWE-Antrag für Biblis A (080401) sowie den EnBW-Antrag für Neckarwestheim 1 (080604) abgelehnt hat, die beide zulässig waren, besteht kein Zweifel mehr daran, daß die SPD das weitere Bestehen der Großen Koalition von der Hinnahme dieser Entscheidungen durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) abhängig macht und es deshalb in dieser Legislaturperiode keine Genehmigungen für eine Laufzeitverlängerung geben wird. Praktisch ist dies aber auch nicht mehr erforderlich, da alle vier Stillegungs-Kandidaten inzwischen infolge ungeplanter oder gewollter Stillstände noch über hinreichend Restlaufzeiten verfügen, um bis zu den Bundestagswahlen über die Runden zu kommen (080406). Die Kernkraftwerksbetreiber haben sich auf diese Situation bereits eingestellt. Sie setzen nun voll auf einen Sieg von Union und FDP, der ihnen eine generelle Laufzeitverlängerung oder gar den Neubau von Kernkraftwerken ermöglichen würde.

CDU will Kernkraftwerksbetreibern den Weiterbetrieb der Anlagen garantieren

Am 3. Dezember 2007 nahm der 21. CDU-Parteitag in Hannover folgenden Passus ins Grundsatzprogramm der Partei auf:

Auf absehbare Zeit kann auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland nicht verzichtet werden. Sie ermöglicht es, den Zeitraum zu überbrücken, bis neue klimafreundliche und wirtschaftliche Energieträger in ausreichendem Umfang verfügbar sind. Im Rahmen unserer Klimaschutzstrategie streben wir eine Laufzeitverlängerung von sicheren Kernkraftwerken an. Für uns ist dabei vorrangig, das größtmögliche Sicherheitsniveau jeder Anlage zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang kommt der sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle eine große Bedeutung zu. Die CDU setzt sich dafür ein, dass die vorhandene Wissenschafts-, Technologie- und Sicherheitskompetenz Deutschlands erhalten bleibt. Nur so kann Deutschland seinen Beitrag zur stetigen Verbesserung der Sicherheit kerntechnischer Anlagen weltweit leisten und gleichzeitig Arbeitsplätze in Deutschland sichern.

Der nunmehr beschlossene Antrag wiederholt, variiert und bekräftigt diese Argumentation, indem er gleich an drei Stellen die Notwendigkeit von Kernkraftwerken unterstreicht:

(Seite 2:) Angesichts knapper Ressourcen benötigen wir eine Energieversorgung, die sicher, wirtschaftlich und umweltverträglich bereitgestellt wird. Deutschland soll bis zum Jahr 2020 den effizientesten Kraftwerkspark der Welt haben. Dabei setzen wir auf einen breit gefächerten Energiemix und eine "Energiepartnerschaft" von Energiewirtschaft, Industrie, Verbrauchern und Politik. Wir wollen die energie- und umweltpolitischen Rahmenbedingungen so gestalten, dass eine rationellere Verwendung von Energie und Ressourcen möglich wird, eine schnelle Modernisierung des Kraftwerksparks erfolgt sowie eine wirksamere Förderung Erneuerbarer Energien praktiziert wird. Auf absehbare Zeit kann auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland nicht verzichtet werden. Sie ermöglicht es, den Zeitraum zu überbrücken, bis neue klimafreundliche und wirtschaftliche Energieträger in ausreichendem Umfang verfügbar sind. Im Rahmen unserer Klimaschutzstrategie streben wir eine Laufzeitverlängerung von sicheren Kernkraftwerken an.

(Seite 7/8:) Grundlage einer sicheren, umweltverträglichen und wirtschaftlich tragbaren Energieversorgung ist ein breit gefächerter Energiemix, der sowohl fossile Energieträger, erneuerbare Energien aber auch die Kernenergie umfasst. Auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung kann bis auf weiteres in Deutschland nicht verzichtet werden, da ein Ausstieg entsprechend dem geltenden Ausstiegsszenario sich bis 2020 klimaneutral nicht bewältigen ließe. Wir streben eine Verlängerung der Laufzeiten von sicheren Kernkraftwerken an, bis neue klimafreundliche und wirtschaftliche Energieträger in ausreichendem Umfang verfügbar sind. Vorrangig ist für uns dabei, das größtmögliche Sicherheitsniveau jeder Anlage zu gewährleisten. Die Rücknahme der Laufzeitverkürzung der Kernkraftwerke ist in einer verbindlichen Vereinbarung mit den Betreibern zu regeln. Ein beachtlicher Teil des zusätzlich generierten Gewinns soll zur Senkung der Energiekosten und zur Forschung im Bereich der erneuerbaren Energie und von Speichertechniken genutzt werden.

Wir setzen auf eine breit angelegte offene Energieforschung und Technologieentwicklung, die hilft, klimaschonende Energieträger zu erschließen und Klimatechnologien zu entwickeln bzw. weiter zu entwickeln. Hierzu gehören saubere Gas- und Kohlekraftwerke, aber auch die Forschung im Bereich der Kerntechnik und Kernfusion. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die bestehende Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die weiter ausgebaut werden sollte. Die vorhandene Expertise Deutschlands bei der Sicherheit kerntechnischer Anlagen gilt es zu bewahren und weiter zu entwickeln. Sie sichert Arbeitsplätze in Deutschland und trägt weltweit zur Sicherheit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie bei.

(Seite 24:) Die Verbraucher müssen aber auch wissen, dass ein ausreichendes Angebot aus einem ausgewogenen nachhaltigen Energiemix die Grundlage für günstige Energiepreise ist. Es setzt den Kapazitäts- und Leitungsausbau sowie die Modernisierung des Kraftwerkparks ebenso voraus wie den Ausbau erneuerbarer Energien und bis auf weiteres einen Beitrag der Kernenergie zum Energiemix.

"Atomstrom ist und wird kein Ökostrom" - SPD, Grüne und Linke warnen Union vor "Kernkraftwahlkampf"

In der "Aktuellen Stunde" des Bundestags am 26. Juni zu den Mißständen im Forschungsendlager Asse (080606) nutzten SPD, Grüne und Linke die Gelegenheit, um der Union ihr neuestes programmatisches Bekenntnis zur Kernenergie vorzuhalten und sie vor einem "Kernkraftwahlkampf" zu warnen. Hier einige Zitate:

Christoph Pries (SPD): "Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie wollen der Atomenergie ein Ökolabel aufkleben. Dann müssen Sie den Menschen ehrlich sagen: Eine Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke um zehn Jahre bedeutet 3500 Tonnen hochradioaktiven und 8000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiven Abfalls zusätzlich. Die SPD-Bundestagsfraktion will das nicht. Wir stehen auch deshalb weiterhin zum Atomausstieg."

Jörg Tauss (SPD): "Gerade das Beispiel Asse II zeigt, daß wir als Sozialdemokraten guten Grund hätten, uns auf einen solchen Kernkraftwahlkampf zu freuen. Das sage ich in aller Deutlichkeit."

Jürgen Trittin (Grüne): "Das wäre die erste Ökoenergie, bei der man damit rechnen muß, daß sie Caesium, Plutonium und andere Stoffe an die Biosphäre und an das Trinkwasser abgibt. Wenn das Öko ist, dann bin ich kein Öko mehr."

Hans-Kurt Hill (Linke): "Teile der Bundesregierung - das ist schon angesprochen worden - und auch die Atomlobby führen gerade eine verlogene Werbekampagne zugunsten der Atomkraft auf allen Kanälen. Atomstrom ist und wird kein Ökostrom."

Redner der CDU/CSU warfen den Ball zurück, indem sie den Kritikern ihrerseits unterstellten, mit der Diskussion um Asse lediglich einen "Stellvertreterkrieg" führen zu wollen, statt konstruktiv an der Beseitigung der Probleme mitzuwirken:

Axel E. Fischer (CDU): "Den Grünen geht es bei dieser Diskussion darum, die Kernenergie in Deutschland aus aus ideologischen Gründen insgesamt schlecht zu reden."

Jochen-Konrad Fromme (CDU): "Sie wollen sich gar nicht um Asse kümmern, sondern hier einen Stellvertreterkrieg führen."

Maria Flachsbarth (CDU): "Es geht darum, Frau Künast, keinen politischen Profit aus dieser Sache zu schlagen. (...) Das Thema ist zu ernst für politische Spielchen und Schuldzuweisungen."

 

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