Januar 2006

060103

ENERGIE-CHRONIK


E.ON Ruhrgas muß Lieferverträge wettbewerbsfreundlicher gestalten

Mit Beschluß vom 13. Januar 2006 hat das Bundeskartellamt der E.ON Ruhrgas definitiv untersagt, ihre Gaskunden in der bisherigen Weise langfristig zu binden. Vier Wochen nach der im Dezember ergangenen Abmahnung (051207) wurde der führende deutsche Gasversorger verpflichtet, ab sofort seine Lieferverträge wettbewerbsfreundlicher zu gestalten. Bestehende langfristige Vereinbarungen mit Weiterverteilern, die mehr als 80 Prozent des tatsächlichen Gas-Vertriebsbedarfs abdecken, sind spätestens zum 30. September 2006 abzustellen. Beim Abschluss neuer Vereinbarungen mit Regional- und Ortsgasunternehmen sind solche Verträge untersagt, deren Laufzeit vier Jahre überschreitet und deren tatsächlicher Vertriebsbedarf mehr als 50 Prozent beträgt oder deren Laufzeit bei einer Bedarfsdeckung von über 80 Prozent über zwei Jahre hinausgeht. Ausgenommen von dieser Regelung sind nur solche Weiterverteiler, deren tatsächlicher Gesamtbedarf weniger als 200 Gigawattstunden beträgt. Ferner muss die Risikoabdeckung bei Bezugsschwankungen im Falle der Belieferung durch mehrere Lieferanten mindestens der Höhe des Lieferanteils entsprechen. Um eine Umgehung dieser Grundsätze zu verhindern, sind mehrere Lieferverträge zwischen Lieferant und Kunde als ein Vertrag anzusehen. Auch stillschweigende Verlängerungsklauseln sind untersagt.

Beigeladen zu dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt waren die Gashandelsunternehmen Deutsche Essent GmbH (Düsseldorf), Trianel European Energy Trading GmbH (Aachen) und Nuon Vertrieb GmbH (Düsseldorf), denen durch die bisherige Vertragspraxis von E.ON Ruhrgas der Marktzutritt erschwert bzw. sogar unmöglich gemacht wurde. Ferner hörte die Behörde die kommunalen Verteiler Rhein Energie AG (Köln) und Stadtwerke Gießen AG, denen die bisherige Vertragspraxis ebenfalls ein Dorn im Auge ist. Schützenhilfe bekam E.ON dagegen von den Stadtwerken Neuss - einem Kunden, an dem der Konzern mit 15 Prozent beteiligt ist und der erst Anfang Januar 2006 seine Beiladung beantragt hatte.

E.ON ist an fünf weiteren Ferngasunternehmen beteiligt

In seinem Beschluß gibt das Kartellamt einen Überblick zur Struktur der deutschen Gaswirtschaft, der zugleich die überragende Marktstellung von E.ON Ruhrgas verdeutlicht: Mit einem Jahresabsatz von rund 640 Milliarden Kilowattstunden bestritt das Unternehmen im Jahr 2004 knapp 65 Prozent des gesamten inländischen Erdgasaufkommens von 992 Milliarden Kilowattstunden. Ferner verfügt es - direkt oder indirekt - über Mehrheitsbeteiligungen an drei der insgesamt 15 Ferngasunternehmen sowie Minderheitsbeteiligungen an zwei weiteren Ferngasunternehmen:

Ferngasgesellschaft, an der die Beteiligung von E.ON Ruhrgas besteht Höhe der Beteiligung in Prozent Beteiligung über
Avacon AG 66 % E.ON Energie AG
Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen Sachsen mbH 50,0 % E.ON Ruhrgas AG
Ferngas Nordbayern mbH 53,1 % E.ON Ruhrgas AG
Gas-Union GmbH 25,9 % E.ON Ruhrgas AG
Saar Ferngas 20,0 % E.ON Ruhrgas AG

Der Bedarf an Erdgas in Deutschland ist in den vergangenen 45 Jahren kontinuierlich gestiegen: Von 1.474 Kilowattstunden pro Einwohner im Jahr 1960 auf 11.400 Kilowattstunden im Jahr 2004. Der Verbrauch der Haushalte hat sich nahezu verachtfacht. Während anfangs die eigene Förderung und als einziger ausländischer Lieferant die Niederlande zur Deckung des deutschen Bedarfs ausreichten, stammten 2003 nur noch etwa 18 Prozent aus heimischer Förderung. Der große Rest kam aus Rußland (32%), Norwegen (26%), den Niederlanden (17%) sowie Dänemark und Großbritannien (insgesamt 7%). Der Import-Mix von E.ON Ruhrgas hat etwa dieselbe Zusammensetzung.

Sieben überregionale Ferngasunternehmen

Förderung, Import und Verteilung des Erdgases erfolgen auf drei Stufen: Auf der ersten Stufe finden sich sieben überregionale Ferngasunternehmen. Sie gewinnen Erdgas aus inländischen Lagerstätten oder importieren Gas von ausländischen Lieferanten. Zum Teil sind wie sie wie E.ON Ruhrgas an der Förderung im Ausland beteiligt. Sie verkaufen dieses so geförderte oder importierte Gas an andere Ferngasunternehmen bzw. an örtliche Gasversorger. Daneben beliefern sie - wie ihre Abnehmer auch - Haushalte, Gewerbe und Industrie. Von der Absatzmenge her führt jedoch mit großem Abstand E.ON Ruhrgas, wie folgende Übersicht für das Jahr 2003 zeigt:

E.ON Ruhrgas 499,0 Mrd. kWh
BEB (heute ExxonMobil, Shell)* 222,3 Mrd. kWh
VNG 118,7 Mrd. kWh
RWE 111,2 Mrd. kWh
Wingas 96,8 Mrd. kWh
Erdgas Münster 73,3 Mrd. kWh
*Die Vermarktungsaktivitäten der BEB haben sich im Folgejahr auf die jeweiligen Gesellschafter Shell und ExxonMobil aufgeteilt

Acht regionale Ferngasgesellschaften

Die zweite Stufe besteht aus acht regionalen Ferngasgesellschaften ohne eigene Förderquellen und ohne bzw. ohne nennenswerten Importbezug.Sie beziehen ihr Gas von den Unternehmen der ersten Stufe und beliefern ebenfalls regionale und örtliche Gasversorgungsunternehmen sowie Haushalte, Gewerbe und Industrie. Im einzelnen handelt es sich im Jahr 2003 um folgende Unternehmen:

GVS 72,2 Mrd. kWh
Bayerngas 52,2 Mrd. kWh
Gasunion 43,3 Mrd. kWh
EWE 43,3 Mrd. kWh
Saar Ferngas 39,5 Mrd. kWh
FGN 22,3 Mrd. kWh
EVG 19,8 Mrd. kWh
Avacon 19,1 Mrd. kWh

40 Regionalversorger und 650 örtliche Verteiler

Die dritte Stufe bilden die regionalen und örtlichen Gasversorgungsunternehmen. Sie verbrauchen entweder Gas (insbesondere Kraftwerksgas) oder verteilen Gas im Rahmen ihres Vertriebsbedarfs weiter, und zwar in erster Linie an Endverbraucher wie Haushalte, Gewerbe und Industrie. Auf dieser Stufe sind in Deutschland etwa 40 Regionalgesellschaften sowie etwa 650 Stadtwerke und andere örtliche Gasversorgungsunternehmen aktiv.

Links (intern)