Februar 2005

050204

ENERGIE-CHRONIK


"Zuteilungsgesetz beschert alten Stromproduzenten Mitnahmeeffekte und benachteiligt neue"

Das Zuteilungsgesetz 2007, das die Vergabe der CO2-Emissionsberechtigungen regelt, ist zum Teil ökologisch wirkungslos und führt zu einer gravierenden Wettbewerbsverzerrung im Energiesektor. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Hannover unter Leitung von Prof. Dr. Lothar Hübl im Auftrag der Energie Baden-Württemberg (EnBW) erstellt hat. "Die Regelungen des ZuG 2007 bewirken Kosten- und damit Wettbewerbsvorteile für die bereits jetzt tätigen Stromproduzenten mit hohem CO2 Ausstoß, die klimapolitisch nicht zu rechtfertigen sind", erklärte Prof. Hübl bei der Vorstellung der Studie auf einer Pressekonferenz am 15. Februar in Berlin. Diese "Altemittenten" erhielten über ihren eigentlichen Bedarf hinaus Zertifikate im Wert von bis zu 22 Prozent ihrer Investitionssumme (siehe Tabelle). Demgegenüber könnten Wettbewerber, die keine Altemittenten sind, beim Bau neuer Kraftwerke nicht einmal eine Ausstattung erwarten, die dem tatsächlichen Bedarf entspricht, obwohl die ökologische Wirksamkeit ihrer Neuanlagen die gleiche sei. Das benachteilige die Betreiber CO2-freier Kernkraftwerke ebenso wie neue Stromerzeuger.

Die Energie Baden-Württemberg untermauerte mit diesem Gutachten ihre seit längerem vertretene Ansicht, daß der § 10 des Zuteilungsgesetzes eine unzulässige Beihilfe darstellt, indem er Kraftwerksbetreibern, die ihre alten Anlagen innerhalb der ersten Handelsperiode bis 2007 durch effizientere Neuanlagen ersetzt haben, vier Jahre lang noch die höheren CO2-Zertifikate für die Altanlagen gewährt. Demgegenüber würden Betreiber von CO2-freien Kernkraftwerken in § 15 des Zuteilungsgesetzes benachteiligt, wenn sie ihre Reaktoren, deren Laufzeit aufgrund des Atom-Kompromisses endet, durch fossil befeuerte Kraftwerke ersetzen (040501). Anfang Juni 2004 beauftragte die EnBW eine Anwaltskanzlei, bei der Kommission in Brüssel vorstellig zu werden, damit das Gesetz in seiner vorgesehenen Form nicht notifiziert und die Bundesregierung gezwungen werde, den Verteilungsmechanismus zu ändern (040601). Am 27. September 2004 verklagte die EnBW die EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, weil diese den deutschen Zuteilungsplan gebilligt hatte. Nach Ansicht der EnBW hätte sie dies nicht tun dürfen, da das deutsche Zuteilungsgesetz die gemeinschaftskonforme Umsetzung der EU-Richtlinie zum Emissionshandel verfehle und nationale Wettbewerber der EnBW unter direktem Verstoß gegen europäische Vorschriften bevorzuge (040905).

Wie das jetzt vorgelegte Gutachten hervorhebt, sind die Planungs- und Bauzeiten für Braunkohlekraftwerke viel zu lang, als daß von den diesbezüglichen Vergünstigungen des Zuteilungsgesetzes 2007 überhaupt ein Anreiz zum Bau neuer Braunkohlekraftwerke ausgehen könnte (siehe Grafik). Dies bedeute, daß das Gesetz lediglich Mitnahmeeffekte bei solchen Braunkohlekraftwerken bewirke, deren Bau ohnehin vorgesehen war. Steinkohle- und Gaskraftwerke benötigten für Planung, Genehmigung und Bau ebenfalls so viel Zeit, daß das Zuteilungsgesetz 2007 allenfalls unter günstigen Umständen die Neuerrichtung von effizienteren Anlagen stimulieren könnte, die pro erzeugter Kilowattstunde weniger CO2 emittieren.

Die Übertragungsregel in § 10 des Zuteilungsgesetzes führe zu Kosten- und damit Wettbewerbsvorteilen für die Altemittenten. Diese erhielten eine Überausstattung an Zertifikaten. Durch Verkauf der überschüssigen Rechte erzielten sie Zusatzeinnahmen, die ihre Entscheidungsspielräume vergrößern. Die Markteintrittsbedingungen für Neulinge, die von der Übertragungsregel ausgeschlossen sind, würden sich entsprechend verschlechtern. Da die selektive Begünstigung von Altanbietern aus einer staatlichen Zuteilungsentscheidung resultiere, handele es sich hierbei aus ökonomischer Sicht um eine staatliche Beihilfe.

Die Kompensationsregel nach § 15 des Zuteilungsgesetzes 2007 führe dagegen zu Wettbewerbsnachteilen für Betreiber von Kernkraftwerken (KKW), die nach der Ausstiegsvereinbarung ihre Anlagen stilllegen müssen. Die vorgesehene Zuteilungsmenge für den Ersatz stillgelegter KKW sei unzureichend, so dass den Betroffenen im Vergleich zu anderen Wettbewerbern hohe Zusatzkosten entstünden. Dies sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Art. III, Abs.1 des Grundgesetzes und widerspreche den Vereinbarungen über den Kernenergieausstieg. Die Kompensationsregel führe zu Wettbewerbsnachteilen für Betreiber von Kernkraftwerken (KKW), die nach der Ausstiegsvereinbarung ihre Anlagen stilllegen müssen. Die vorgesehene Zuteilungsmenge für den Ersatz stillgelegter KKW sei unzureichend, so dass den Betroffenen im Vergleich zu anderen Wettbewerbern hohe Zusatzkosten entstünden. Dies sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Art. III, Abs.1 des Grundgesetzes und widerspreche den Vereinbarungen über den Kernenergieausstieg.

Die EnBW will außerdem damit argumentieren, daß das Zuteilungsgesetz 2007 "wegen seines Beihilfecharakters mit dem Europarecht nicht vereinbar ist", wie Rechtsanwalt Prof. Dr. Christoph Moench auf der Pressekonferenz in Berlin ausführte. "Es verstößt mit seinen wettbewerbsverzerrenden Wirkungen in mehrfacher Hinsicht gegen das Grundgesetz. Die Mechanismen des ZuG 2007 sind ökologisch und damit auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Hier müssen dringend Konsequenzen für die nächste Handelsperiode, den nationalen Allokationsplan II, gezogen werden."



Szenarien für den Ersatz von Standard-Kraftwerken
(aus dem Gutachten "Ökologische und wettbewerbliche Wirkungen der Übertragungs- und der Kompensationsregel des Zuteilungsgesetzes 2007 auf die Stromerzeugung", das Prof. L. Hübl (Universität Hannover) für die Energie Baden-Württemberg anfertigte)

Technologie
Braunkohle-KW
ersetzt Braunkohle-KW
Steinkohle-KW
ersetzt Steinkohle-KW
Gas-KW
ersetzt Gas-KW
Gas-KW
ersetzt Steinkohle-KW
Leistung (MW)
1.000
600
400
600 - 800*
Vollaststunden (h/Jahr)
7.500
4.500
3.500
4.500
Jahresproduktion (MWh)
7.500.000
2.700.000
1.400.000
2.700.000 - 3.600.00
Wirkungsgrad (alt)
0,31
0,33
0,40**
0,33
Wirkungsgrad (neu)
0,43
0,45
0,57
0,57
Minderemissionen (4 Jahre) in Mio. t CO2
10,79
2,92
0,84
7,14
Anschaffungskosten in Mio. Euro
1.000
540
160
320
Zusatzeinnahmen (4 Jahre) in Mio. Euro
107,9
29,2
8,4
71,4
Zusatzeinnahmen in Prozent der Investition
11
5
5
22

* Da Kostendaten nur für 800-MW-Gaskraftwerke vorliegen, wird hier eine Kapazitätserweiterung unterstellt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Kapazitätserweiterung von 200 MW nicht unter § 10 ZuG 2007 fällt und damit nicht zu einer Überschußzuteilung führt. Letztere erfolgt ausschließlich auf Basis der Altanlage.
** Verbundanlage

Quellen: Pfaffenberger/Hille (2004), eigene Berechnungen und Annahmen des Gutachters