Oktober 2002

021005

ENERGIE-CHRONIK


Steinkohle-Beihilfen für 2002 genehmigt - Neue Regelung gilt bis 2010

Die Europäische Kommission genehmigte am 2. Oktober die für den deutschen Steinkohlebergbau beantragten Subventionen in Höhe von 1,484 Milliarden Euro für den Zeitraum vom 24. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2002. Bereits vor einem Jahr hatte sie 2,073 Milliarden Euro für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 23. Juli genehmigt, so dass sich die Beihilfen für den deutschen Steinkohlebergbau im Jahre 2002 auf insgesamt 3,557 Milliarden Euro belaufen.

Die Genehmigung der Beihilfen für das Jahre 2002 mußte in zwei Abschnitten erfolgen, weil am 23. Juli 2002 der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) endete, der auf fünfzig Jahre befristet gewesen war. Mangels gesetzlicher Grundlagen konnte die Kommission deshalb zunächst nur die Beihilfen für das erste Halbjahr 2002 genehmigen, nachdem sie den Anträgen für 2000 und 2001 stattgeben hatte ( 010110). Die ab 24. Juli 2002 gültige Neuregelung erlaubt es indessen, die einschlägigen Regelungen des EGKS-Vertrags auch noch auf die Beihilfen für die zweite Hälfte des Jahres 2002 anzuwenden, um Probleme durch zwei verschiedenen Beihilferegelungen innerhalb eines Jahres zu vermeiden.

"Kuhhandel" machte Weg frei für Weitergewährung der Steinkohle-Beihilfen

Bei den Verhandlungen über die neue Beihilferegelung für den Steinkohlebergbau war es im Frühjahr 2002 im EU-Ministerrat gegen den erbitterten Widerstand der Kommission zu einem "Kuhhandel" gekommen: Deutschland und Spanien erkauften die Zustimmung ihrer Partner zur Fortführung der Kohle-Subventionen, indem sie im Gegenzug der Fortdauer der ermäßigten Dieselsteuer zustimmten, mit der Frankreich, Italien und die Niederlande ihr Transportgewerbe subventionieren. Österreich gab seine Zustimmung gegen Zugeständnisse bei der Begrenzung des Schwerlastverkehrs durch die Alpen. Nach der Besiegelung dieser politischen Einigung auf der Tagung des Rats der Industrie- und Energieminister am 6./7. Juni 2002 trat am 24. Juli die neue Beihilferegelung in Kraft, die bis Ende 2010 befristet ist und der Bundesregierung weitgehend freie Hand läßt bei der Umsetzung des "Kohle-Kompromisses" von 1997 (970302, 971103).  

Ein Rest an Zechen soll wegen der Versorgungssicherheit erhalten bleiben

Die am 23. Juli 2002 beschlossene Verordnung zur Neuregelung der staatlichen Beihilfen für den Steinkohlenbergbau verweist auf die Notwendigkeit einer Stärkung der Energiesicherheit der Union, wie sie bereits im Grünbuch "Die Sicherheit der Energieversorgung der Union" unterstrichen wurde (020416). Grundsätzlich rechtfertige die Vorsorge die Erhaltung von Produktionskapazitäten, die durch staatliche Beihilfen unterstützt werden. Die subventionierte Kohleförderung müsse aber "auf den Umfang begrenzt werden, der unbedingt erforderlich ist, um wirksam zum Ziel der Energiesicherheit beizutragen".  

Die Steinkohle wird seit 1965 staatlich gestützt

Die deutsche Steinkohle ist bereits seit den sechziger Jahren nicht mehr konkurrenzfähig. Zuerst wurde sie vom Öl verdrängt, das damals noch billig und reichlich floß, und dann von der wesentlich billigeren Import-Steinkohle. Während es 1957 noch 135 Zechen mit mehr als 600.000 Beschäftigten gab, sank bis1969 sank die Zahl der Bergwerke um zwei Drittel und die Jahresförderung fast um die Hälfte. Der Bundestag beschloß deshalb in den Jahren 1965, 1966 und 1974 drei Gesetze, um die weitere Verstromung deutscher Steinkohle sicherzustellen. Mit dem dritten Verstromungsgesetz von 1974 wurde der sogenannte Kohlepfennig als Aufschlag auf den Strompreis eingeführt, um die Mehrkosten der Steinkohle-Verstromung zu finanzieren. Außerdem verpflichtete sich die deutsche Elektrizitätswirtschaft 1980 im sogenannten Jahrhundertvertrag mit dem Bergbau, bis 1995 eine in fünfjährigen Abstand zunehmende Menge an Steinkohle zu verstromen. Der Jahrhundertvertrag belastete den Strompreis zusätzlich, da der Kohlepfennig nur etwa zwei Drittel der entstehenden Mehrkosten deckte.

Subventionen sollen bis 2005 auf 5,5 Milliarden Mark begrenzt werden

Die Stromversorger empfanden den politisch auferlegten Jahrhundertvertrag als ebenso lästig wie den Kohlepfennig (910908). Ende 1991 einigten sich Wirtschaft und Politik auf eine Verringerung der subventionierten Steinkohle-Mengen bis zum Jahr 2000 (911101). Ein Jahr später präsentierte die EG-Kommission erstmals Pläne für einen schrittweisen Abbau der Subventionen im Steinkohlenbergbau (921106). Im Herbst 1993 beschloß die Bonner Regierungskoalition aus Union und FDP, die Subventionierung der deutschen Steinkohleförderung in den Jahren 1997 bis 2000 auf jährlich sieben Milliarden DM zu begrenzen (931003), was beim damaligen Preisabstand zur Importkohle (931102) die Verstromung von jährlich rund 35 Millionen Tonnen deutscher Steinkohle bedeutete. Das 1994 vom Bundestag beschlossene Energie-Artikelgesetz band die Subventionierung der Steinkohleverstromung erstmals nicht mehr an bestimmte Fördermengen, sondern an Festbeträge (940401). Im Dezember 1994 erklärte jedoch das Bundesverfassungsgericht den "Kohlepfennig" für unvereinbar mit dem Grundgesetz, wodurch das bisherige finanzielle Fundament der Steinkohle-Subventionierung entfiel (941201). Ersatzweise gab es Pläne zur Einführung einer Energie- oder Stromsteuer, die dann aber zugunsten einer reinen Haushaltslösung fallen gelassen wurden (941202, 950101). Zunächst bestand zwischen Regierung und Opposition Einvernehmen, die Subventionierung der Steinkohle in dem vom Energie-Artikelgesetz vorgesehenen Rahmen aufrechtzuerhalten (950302). Als die Regierungskoalition davon abrückte und massive Abstriche erwog, kam es zu Massenprotesten von Bergleuten (970207). Am 13. März 1997 einigten sich Bund, Kohleländer, Bergbau und Gewerkschaft auf einen Kompromiß, der vorsieht, die öffentlichen Hilfen von jährlich rund 10 Mrd. DM bis zum Jahr 2005 auf 5,5 Mrd. DM zu reduzieren (970302). Im November 1997 wurde dieser Kompromiß - soweit es um die Leistungen aus der Bundeskasse ging - mit großer Mehrheit von allen Parteien des Bundestages in Form des "Gesetzes über Hilfen für den deutschen Steinkohlebergbau bis zum Jahr 2005" gebilligt (971103).  

"Deutsche Steinkohle AG" verwaltet den Rest an Zechen

Die verbliebenen Zechen an der Ruhr wurden 1969 in der damals gegründeten Ruhrkohle AG zusammengefaßt, die sich seit 1997 "RAG Aktiengesellschaft" nennt. In einem weiteren Schritt wurden 1998 sämtliche deutschen Steinkohle-Bergwerke in der "Deutsche Steinkohle AG" zusammengefaßt (980915, 020514). Die Förderung verteilte sich Ende 2001 auf zwölf Bergwerke mit rund 52.600 Beschäftigten, von denen 24.300 unter Tage arbeiteten. Bis 2005 ist eine weitere Verringerung auf rund 36.000 Bergleute angestrebt, die dann noch etwa 25.000 Tonnen Steinkohle fördern - weniger als ein Fünftel der Fördermenge von 1957. Im Jahr 2001 erhielt die Deutsche Steinkohle AG für die Förderung von rund 30 Millionen Tonnen Steinkohle insgesamt vier Milliarden Euro an Subventionen.

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