November 2001

011115

ENERGIE-CHRONIK


Enron vor der Pleite

Der US-Energiekonzern Enron steht vor der Pleite. Infolge undurchsichtiger Machenschaften seines früheren Finanzchefs und anderer Probleme mußte er im Oktober eine Eigenkapitalminderung um 1,2 Milliarden Dollar melden. Anschließend berichtigte er seine Gewinne ab 1997 um insgesamt 591 Millionen Dollar. Die Börsenaufsicht SEC hat eine Untersuchung eingeleitet. Der Kurs der Enron-Aktie, der Anfang des Jahres noch bei rund 84 Dollar gelegen hatte, stürzte Anfang November auf etwa zwölf Dollar ab. Daraufhin erklärte sich der Konkurrent Dynegy zur Übernahme Enrons gegen 9,3 Milliarden Dollar in Aktien bereit. Obwohl die Verwaltungsräte beider Unternehmen das Vorhaben bereits gebilligt hatten, kam die Übernahme aber nicht zustande, weil der Kurs der Enron-Aktie inzwischen weiter sank und den Marktwert des Unternehmens auf nur noch etwa vier Milliarden Dollar drückte. Rating-Agenturen stuften die Enron-Anleihen auf "Junk" ("Müll") herab. Auch die Aktienkurse von Dynegy gerieten unter Druck. Nach erfolglosen Verhandlungen über eine erhebliche Herabsetzung des Werts der Transaktion sagte Dynegy am 28. November die Übernahme ab. Als Gegenleistung für eine bereits geleistete Finanzspritze von 1,5 Milliarden Dollar wird Dynegy jedoch die Erdgasleitungen der Enron-Tochter Northern Natural übernehmen. Die Europa-Tochter mit rund 5000 Mitarbeitern meldete bereits Insolvenz an und wird jetzt von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers verwaltet (Handelsblatt, 29.11.; SZ, 30.11.; FTD, 30.11.).

Enron entstand 1985 durch die Fusion von Houston Natural Gas und Internorth. Der ursprüngliche Gasverteiler entwickelte sich zum größten Energiehändler in USA, Großbritannien, Skandinavien, Deutschland und Australien. In Deutschland machte Enron erstmals 1996 als Interessent für die Privatisierung der Berliner Bewag von sich reden (961208). Ein Jahr später übernahm Enron den Windkraftanlagenhersteller Tacke in Salzbergen (971019, 011016). Nach der Liberalisierung des Strommarktes positionierte sich das Unternehmen sofort als Stromhändler (980503, 980811). Zuletzt soll Enron rund 30 Prozent des deutschen Energiehandelsvolumens abgewickelt haben. Da das Unternehmen aber hierzulande über keine eigene Stromerzeugung verfügt, dürfte sein Zusammenbruch nur relativ geringe Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt haben.